
Für Weltspitze müssen Läufer in die hohen Berge
KENIA - UGANDA - ÄTHIOPIEN u.a.
Lothar Pöhlitz*
Es gibt keine Geheimnisse mehr zum Höhen-Lauf-Training der inzwischen Besten mit Weltniveau. Immer waren welche, auch ich selbst, in ihrer Nähe, in den Höhen des Rift Valley rund um Iten und Eldoret (KEN), in Addis Abeba in Äthiopien, in Belmeken / Bulgarien, im Höhentraining in Mexico und Flagstaff (USA) oder in St.Moritz. Die Kinder der Einheimischen, oft großer armer Familien, haben oft schön früh viele Kilometer zu Fuß zurückgelegt und wurden so, mit schon außergewöhnlicher Basis, in der Regel nach Wettkampf-Tests, in die Zentren oder Sportschulen aufgenommen.
Das erste Mal hatte ich Gelegenheit 1978 in einem 3wöchigen gemeinsamen Trainingslager mit den besten äthiopischen Läufern, mit Doppel-Olympiasieger Miruts Yifter (13:13.82 / 27:40.96 - 1972) einen umfassenden Einblick in ihre Trainingspraxis auf den Straßen rund um Addis Abeba bis in 3000m Höhe und auf der Bahn, zu bekommen. Er war damals „Chef der Nationalmannschaft Lauf“ und zugleich „Lauftrainer der Armee“, der die Aufgaben der Truppe nahebrachte und über ihre gewissenhafte, für mich unerwartet disziplinierte Ausführung auf der Bahn und im Gelände, wachte.
Im Mittel- und Langstreckenlauf (Kenia, Äthiopien, Uganda) liegen neben einem großen sozialen Motivationspotential und günstigen genetischen Anlagen, Vorbildern, einem großen Talentangebot, in einem sehr frühen Trainingsbeginn, auch in Sportschulen, einem umfangreichen und intensiven „Gruppen“-Training unter den Bedingungen von 2000 – 3000 m Höhen und einem anspruchsvollen LT- Ausdauertraining in den drei Intensitätsbereichen „ruhig lang“, mittel 90-120-180 Minuten´ und Tempo arbeit meist in Teams bis zu 20 Läufern und Läuferinnen mit Teilstrecken von 200m bis zu 3000m als „tempo-teamwork“ auf der Bahn. Morgens früh 6 Uhr trafen sie sich, bis 200 „zum pünktlichen Start“ (Titelfoto) zur Ausdauerstunde, auch Fahrtspielen, wie beispielsweise Tempowechsel von 16 x 1´ mit 1´ Laufpausen immer schneller, dem deutsche Läufer nicht folgen konnten.
Auch Qualitäts-Einzeltraining mit Pacemaker mit den besten Frauen ist nicht außergewöhnlich.

Nach seiner Marathon-Silbermedaille bei der WM 2025 be-richtete Amanal Petros: Ich laufe wöchentlich 200 bis 210 Kilometer meist in den Höhen Kenias. Oft bin ich 7 Monate unterwegs. Es geht darum, dass wir als Marathonathleten sehr viele Kilometer in unseren Oberschenkeln speichern müssen. Aber es ist eine riesengroße Herausforderung, dass drei, vier Monate lang durchzuhalten. Das Leben besteht dann nur aus Laufen, Essen und Schlafen. Disziplin ist das Wichtigste.
In Kenia gibt es ein Hotel mit Appartements. Da ist es sehr professionell. Du wohnst direkt neben der Strecke, wirst dreimal am Tag mit Essen versorgt. Es gibt Massagen. Du musst keine Trainingspartner suchen, da sind an jeder Ecke 40, 50 Athleten, die jeden Tag um 6.30 Uhr oder 8 Uhr trainieren.

Pater O´Connel - langjähriger Chef Kenyas Talentschmiede St.Patrick High-School in Iten berichtete vor DLV-Trainern:
„Wenn wir mit 14 Jahren - dann werden die Schüler nach einem Aufnahmeverfahren zu uns ins Internat aufgenommen – mit Talenten gezielt mit dem Training beginnen, ist die Ernte schon zu 80 % eingefahren, weil die Kinder bereits ab 6 Jahren laufen, zum Markt, zur Schule, die Berge hinauf und hinunter, zu Verwandten, bis zu 10 km am Tag.
Dann haben wir die Schüler bis 19 Jahre und trainieren mit ihnen täglich zweimal und 3x im Jahr in den Ferien (dann führen wir jeweils 4 Wochen lang ein Trainingslager durch) auch dreimal am Tag!
Auch morgens vor der Schule (5,45 Uhr). Alles wird gelehrt: DL + FS im Gelände: barfuß – Bodenwechsel, Rhythmuswechsel, stark profiliert, z.T. steil bergauf und bergab, große Gruppe; Treppenarbeit, Athletik, Gymnastik während des Laufens wie in Äthiopien, große Schritte, Beweglichkeit.

Trainingskonsequenzen
Sie beginnen dann im Dauerlauf - langsam, aber laufen dann schneller und schneller und immer öfter an der oberen Grenze ihrer aerob-anaeroben Möglichkeiten. Das angestrebte Maß sollte vom Jugend-Aufbautraining von 20 -> 45 -> 60 Minuten in einer individuell möglichen, kontrollierten Geschwindigkeit übernommen werden.
Für die „kurzen Mittelstreckler“ reicht, wenn sie im DL 30 Minuten schnell laufen können, dafür die Schnelligkeit und Schnelligkeitsausdauer am besten mit Pacemaker, auch schneller als das Leistungszieltempo. In Fahrtspielen die ersten schnellen Einlagen „mittel“, die letzten Wiederholungen die Schnellsten sein!
Die Intensität „tötet“ vor allem, wenn die aerobe Grundlage zu schwach ist. Aber ohne Intensität geht´s nicht recht voran.
Wichtige Voraussetzungen für ein erfolgreiches Training ist das Wissen über die aktuelle Leistungsfähigkeit des Athleten, über seine Kraft- und Ausdauerfähigkeiten und Leistungsbereitschaft
Persönliche Bestleistungen setzen voraus: sowohl die aerobe Basis zu entwickeln als auch auf dieser Grundlage, die notwendige, für den Einzelnen mögliche „harte Tempoarbeit“ auf der Bahn zu machen. Aber ohne Selbstvertrauen gibt es keine großen Siege.
Wettkämpfe bringen die Erfahrungen. „Wettkampf ist das beste Training“ In jedem Rennen gibt es nur einen Sieger, aber viele Verlierer. Wichtig ist zu wissen das die Verlierer zum nächsten Wettkampf besser vorbereitet zurückkommen wollen.

Bais-Trainingsphilosophie von Dr. Kostre (Äthiopien)
• Im Mittelpunkt des Marathontrainings stehen der leichte lange Lauf und ein hoher Gesamtumfang
• Je mehr Sauerstoff zur Energiegewinnung zur Verfügung steht, umso höher ist die Leistungsfähigkeit. Deshalb ist die Verbesserung der maximalen Sauerstoffaufnahmekapazität (VO2max) wichtig.
• Marathontraining ist so aufzubauen, dass man an manchen Tagen richtig gefordert wird. Dazu sind Tempodauerläufe knapp unter der Schwelle sehr geeignet.
• Für die Langstrecken laufen sie so lange einzelne Streckenabschnitte im Renntempo bis sich ihre aerobe Schwelle und die VO2max mit diesem Training nicht mehr weiterentwickelt.
• Dann müssen sie im Training die aerob-anaerobe Schwelle überschreiten. Durch kurze maximale Läufe mit kurzen Pausen oder auch Bergantraining ist dieser Trainingseffekt zu erreichen. Sie müssen in den anaeroben Bereich, laufen sie zu langsam geht es nicht voran.
„Wir trainieren oft im Grenzbereich der individuellen Leistungsfähigkeit, das sind bis 115 % und mehr, bei Gebrselassie z.B. der durchschnittlichen 400 m Zeit von seiner WR-Leistung. Nur so ist das Maximum zu erreichen. Stärken und Schwächen bestimmen die Zahl der extremschnellen Wiederholungen. Die Anteile vom aeroben und anaeroben Training variieren je nach Laufstrecke. Ziel ist, die bisherige Leistungsfähigkeit um 5 - 10 % -besser mehr - in einzelnen TE zu überbieten.“
Auch wenn es schon länger her ist

Aber auch die Trainingseinflüsse aus der ganzen Welt, sind in den bisher bekannt gewordenen Veröffentlichungen nicht zu übersehen.
Bei 12 Trainingseinheiten
von ~110-200 km z.T. stark profiliert
Mittelstreckler um 110-130 km / Langstreckler um 160-200 km
• 60-80 Minuten / bis 35 km lange moderate, auch gesteigerte Läufe
• Speedwork / Intervalle im Gelände (3:1 / 2:1 / 1:1 - Beispiel: 1 min hart / 1 min ruhig)
• Regenerations-Dauerläufe über 30-60 Minuten, auch mit 10´ flotten Einlagen
• Tempo-Dauerläufe oder Tempoprogramme um 6 km, wenn möglich in niedrigeren Höhen
• Fahrtspiele oder Intervalle auf möglichst ebener Straße oder der Gras-Bahn aber offensichtlich niemals ganz eben
• 15 km Intervalle – 25 x 400m, 16 x 800m, 12 x 1000m, 6 x 2000m
• Sonntags 90-120 Minuten langer Lauf. Jeder vierte Sonntag Ruhetag
• Kraft- und Konditionstraining findet zweimal wöchentlich im Freien oder im Studio statt. Es zielt vor allem auf die Verbesserung des „Zentrums“ und der Vermeidung / Reduzierung von Verletzungen.
• Wenn sich in der Nähe ein Fluss mit "sehr kaltem" Wasser, befindet wird, nach Tempo-Programmen die schnellere Regeneration unterstützt. Stretching findet nach allen Sitzungen und am Mittwoch ein ausgiebiges Dehnungsprogramm statt.
-----------------------------------------------
*Lothar Pöhlitz – Dipl.- Sportlehrer für Leistungssport / Trainer, Nachwuchs-Verbandstrainer, Cheftrainer, bis 1979 Sportwissenschaftler, WZ der DDR / 18 Jahre - 1980-1998 Sprinttrainer TSV Bayer Leverkusen, DLV-Bundestrainer Mittelstrecke – Langstrecke – Marathon / Olympia-Stützpunkt-Koordinator LGO Dortmund / 3 x Olympiatrainer für Deutschland 1984 in Los Angeles, 1988 in Seoul und 1996 in Atlanta / 4 Lauf-Fachbücher






